David Dorad
Jede Szene hat hin und wieder ihre Hypes, deren Amplituden euphorisch gen Höhepunkt klettern und im Zustand absoluter Übersättigung wieder abfallen. Speziell das Techno-Mekka Berlin, dessen Clubkultur vor lauter esoterischer Aufladung jeden Moment zu explodieren droht, bietet einigen Nährboden für kurzweilige Rummel dieser Art. Jeder Höhepunkt bezieht sich aber auf eine goldene Mitte. Diese Konstante gibt sich zwar nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ist aber die unumstrittene Basis für alles, was Berlin jemals hervorgebracht hat.
David Dorad ist ein Teil dieser Basis. Er gehört zu den Figuren, die die Szene seit Jahrzehnten konstant am Laufen halten. Der gebürtige Hallenser kam nach der Wende als Hausbesetzer in die Hauptstadt und begann 1994 mit dem Plattendrehen. Nachdem die jugendliche Neugier sich durch alle Facetten zeitgemäßer Musik gewühlt hatte, folgten die ersten Gigs. 2004 gründete er mit Freunden das detailverliebte Kollektiv "Bachstelzen", dessen wohlige Atmosphäre in der baldigen Zukunft auch außerhalb der Stadtmauern bekannt werden sollte. Seit einigen Jahren sind sie unter anderem ein fester Bestandteil des Fusion-Festivals. Wo die Bachstelzen waren, war die Bar25 nicht weit: Zuerst war David Dorad ein Gast, dann DJ, dann Freund. Schließlich fand er bei der clubinternen Booking-Agentur des Bar25-Nachfolgers Kater Holzig seine Heimat: Sasomo. Mittlerweile spielt er jedes Wochenende bis weit über die deutschen Ländergrenzen hinaus und ist dabei, seinen internationalen Status auszubauen.
David ist ein charismatischer Vollblut-DJ, kein Business-Typ. Man wird auch vergeblich nach Twitter-Nachrichten oder Bildern seiner Katze suchen. Er ist ganz und gar Berlin: unkompliziert und wandlungsfähig. Wenn er ein Set spielt, will er, dass sich jeder wohlfühlt, egal ob Hippie, Yuppie oder Punk, egal ob technoid, deep oder funky. Er lässt sich kein musikalisches Szene-Diktat auferlegen und übernimmt am liebsten die langen Afterhour-Schichten. Diese eignen sich am Besten dazu, einen bunten und weichen Klangteppich zu weben, dessen Färbung von Jahreszeit, Setting und Publikum abhängig ist. Seine harmonischen Sets strotzen vor ehrlicher Energie und scheuen sich nicht, dem Publikum die elektronische Berliner Schnauze entgegenzubrettern: ziemlich derb, aber eigentlich nett gemeint. Bei der Wortwahl setzt er auf altbewährte Platten, die er mit sorgfältig ausgewähltem, neuen Input zu verknoten weiß, bis das Gesamtbild sich seinen Zuhörern offenbart. Er hat die Kunst, Synapsen zu spalten und nach belieben neu zu kombinieren, perfektioniert - und hat damit den meisten Gehirnchirurgen etwas voraus. David schwelgt nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Er lebt für den Moment, der gern auch mal verfliegen darf.