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FINS „DREAMER“ – DRIVE LIKE IT’S 1985

Ich habe kürzlich „Out of Sight“ von FINS in einem übervollen Club gehört, nicht live, von Konserve, wie man sagt, in der Umbaupause zwischen zwei Bands. Durch das Geplapper der Kloschlange, die Geschäftigkeit der Bar, das Schnaufen, Lachen, Rein- und Rausdrängen der Besucher arbeitete sich dieses kristalline Stück Popmusik, bis jeder mal kurz gedacht hatte: cool, was war das nochmal?

Und während die Raucher-grüppchen vor der Tür über Mietenmondpreise im Friedrichshain sprachen, träumten sich drin FINS zurück nach 1985, in die Zeit, als Prefab Sprout für ihr Album Steve McQueen auf einem alten Triumph-Motorrad posierten.

Heute ist es ein Volvo aus Papis Zeit, den Andi Fins im Video zu „Out of Sight“ durch Kreuzberg steuert, wohlgemerkt mit drei Models auf dem Rücksitz.

Andi parkt die Karre vor einem Studio, in dem Menschen mit Sehnsucht nach Synchronizität jener Bewegungsart nachgehen, die Jane Fonda vor ca. 40 Jahren berühmt machte: Aerobic.

Die begabteste unter den Tänzern ist Andis Angebetete, zufällig ist die ganze FINS-Band anwesend, also widmet er der Liebsten, begleitet von seinen Freunden die Zeilen:

Und hier ist sie auch schon, FINS’ Zauberformel. Was textlich nachdenklich anmutet, wird musikalisch sehr eingängig formuliert und zwingt höflich zum sich dazu Bewegen, Prinzip Hit mit doppeltem Boden.

„Out of Sight“ ging denn auch den Weg, den Hits seit Beginn des Zeitalters der technischen Reproduzierbarkeit einschlagen: über die Tanzflure, durch die Radios ins Fernsehen (das heißt nur heute Internet). Bisheriger Höhepunkt der jungen Bandkarriere war neulich ein Auftritt im Neo Magazin Royale. Dessen Host, der geniale Schlingel Jan Böhmermann empfahl die Band heissestens.

Der Stein rollt also, den Berg der Arbeit runter, Richtung Tal, wo Milch und Honig fliessen. Es läuft bei FINS, warum dann überhaupt so ein Promowisch?

Na vielleicht, um zu erzählen, wo dieses Schmuckstück herkommt und durch wessen Hände es schon gegangen ist.

Funfact vorweg: Fast alle Mitglieder dieser Band haben live und auf der Bühne bereits mit etlichen Größen der deutschen Poplandschaft gearbeitet. Wer sich für sowas interessiert, schliesse bitte ein GALA-Abo ab. Den Rest lassen wir Andi Fins selbst erzählen:

“Ich kenne Philipp am längsten, hab mit ihm zusammen in Weimar Klavier studiert. Christoph war damals 16, als wir ihn dort kennen gelernt haben und hat damals schon gespielt wie eine Rakete.

Wir hatten dann in Weimar zusammen eine Spaßband namens “Der Kartell”, in der ich Bass gespielt habe, weil Philipp einfach der geilere Keyboarder war.

Wir haben Manuela, Jimi Hendrix, Cannonball Adderley, Madonna, alles gecovert und frei interpretiert…

Nach Weimar hat jeder alles mögliche gemacht, Christoph war schon Rockstar bei Clueso, ich hab anfangs in Berlin Fernseh-Requisite gemacht und gefühlte 4000 Jazz-Sängerinnen auf Gala-Shows begleitet, war auch mal auf einem Kreuzfahrtschiff…

Ich habe dann lange mit Tim Neuhaus’ Band Musik gemacht, irgendwann endlich selbst meine erste eigene Platte „A Chapter Missing its Book“ aufgenommen.”

Das war 2012, Christoph Bernewitz war auf den Aufnahmen von „A Chapter Missing Its Book“ schon zu hören gewesen, Philipp Cieslewicz (Keyboards) und Jan Burkamp (Drums) kamen für die Live-Umsetzung des Albums dazu. Aus Begleitmusikern wurde eine Band, aus Andi Fins wurde FINS. Andi schrieb neue Songs. In der Band arrangierte und spielte man sie rund bis alles gordisch ineinandergriff. Aus traurigschönen Songs wurden, huch, krasse Popnummern, Musik in Grossbuchstaben, vielleicht das Beste seit Sting The Police verlassen hat.

Aufgenommen wurde das Album „Dreamer“ in der Nalepastraße in Berlin/Köpenick im berühmten ehemaligen Funkhaus der DDR. Peter Thomas und Markus Abendroth von Zodiaque nahmen sich dort gemeinsam mit Andi Fins der Produktion an und mischten die Platte.

Der kanadische Singer-Songwriter Martin Gallop ging Andi beim Schreiben der Texte zur Hand, hat also maßgeblichen Anteil an der Tiefe dieses Albums.

To pop heisst auf englisch platzen, wie z.B. eine Seifenblase nach sekundenlangem Schillern es tut, der Pop auf dem Debut von FINS aber ist ein Entwurf, der Bestand haben kann, mit Melodien und Zeilen die nicht nur ob ihrer Eingängigkeit hängenbleiben, sondern weil sie Wahrheiten bergen.

Es wird viel bereut in den Liedern, aber ebenso auf die Sonne hinter den Wolken verwiesen. In „Walk Away“ etwa, das Drummer Jan Burkamp eindrucksvoll mit einem in the air tonight-Gedächtnisbreak einläutet, ermutigt der Sänger jemanden, seine Sachen zu packen und die Enge der Kleinstadt hinter sich zu lassen und beschreibt dessen Lage mit den Worten:

Dass das meilenweit vom Hausmaus-Zweckreiminferno der meisten Chartshanseln entfernt ist, schreit einem aus jeder Zeile entgegen.

Und gemeinsam mit der Musik, die die vier Wahlberliner dazu machen gibt das oben beschriebene Zauberformel: pop music with a twist.

FINS lieben das Instrumentarium der golden era des Synthpop/Softrock, man glaubt auf „Dreamer“ die großen Raumschiffe der 80er Sternenflotte zu hören: Oberheim OBX, Roland Juno 60, Linndrum und das gute alte Chorus-Pedal. Diese Klänge schaffen die Patina auf diesem ansonsten musikalisch sehr heutigen Werk.

Andi Fins sitzt auf einem der neuen Fotos auf einem alten Mofa, das er wohl gegen den Volvo getauscht hat.

Drive like it’s 1985

(Francesco Wilking)

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