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Mister Me

Wer rettet sie denn jetzt eigentlich, die deutschsprachige Popmusik? An dem einen Ende brechen HipHop-Acts Streaming-Rekorde, am anderen dudeln Schnulzen-Songwriter, und dazwischen tummelt sich eine Dunkelziffer an Indie-Künstler, von denen es aber kaum jemand ins Radio schafft. Aber es gibt einen, der diese Lücke füllen kann: Mister Me.

Der Deutsch-Pop-Poet, der als Rapper angefangen hat, liefert Musik für Radio-Hits mit Texten, die locker auf einer Lyrik-Vorlesung vorgetragen werden könnten.

Diese inklusive Kraft kommt nicht von irgendwoher: Micha Meißner wuchs in einem sehr frommen Haushalt auf, fand in der Religion aber nie sein zu Hause.

Er sah anders aus, verhielt sich anders, war der Freigeist in einer kleinen Welt mit hohen Mauern. In der HipHop-Szene fand er eine erste Heimat. Als ihm mit 17 in Folge einer Autoimmunkrankheit alle Haare am Körper ausfallen, fällt er in ein Loch. Meißner greift nun öfter zur Gitarre, setzt sich ans Klavier, lässt immer mehr seine Singstimme zu. Herausgekommen ist dabei 2017 sein Debütalbum “Zeit bleibt Zeit”, das die Messlatte für Mister Me sofort sehr hoch setzt: Deutsch-Pop mit Kante und der Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Seine klare Haltung: Menschen einzubeziehen, zusammenzubringen, zum Hinterfragen anzuregen. “Mein Wunsch ist es, nicht nur die Leute zu erreichen, die ohnehin meiner Meinung sind, sondern auch diejenigen, die sich zum Beispiel noch nicht sicher sind, ob sie die AfD wählen sollen, und diese dann zum Nachdenken anzuregen und zum Gespräch einzuladen.”

Seine Mission: Das Ende vom Hass. Da ist es nur einleuchtend, dass er sein zweites Album genau so genannt hat. Darin durchdringt er Geschlechterrollen, benennt gesellschaftliche Ängste, erforscht die Scheu vor Fremden. In „Pink und Blau“ etwa fragt er sich: Wie könnten wir Beziehungen leben, wenn es die Klischees von Frau und Mann nicht gäbe? Ein Motiv verbindet die zehn Lieder wie ein roter Faden: Versöhnung. “Die Songs behandeln jegliche Art von Konflikten, die wir alle mit uns rumschleppen. Ich glaube, es würde uns allen gut tun, wenn jeder immer wieder reflektiert: ‘Tue ich das, was ich gerade tue, aus Gewohnheit oder aus Überzeugung?’”, sagt der gelernte Erzieher.

“Das Ende vom Hass” ist ein hochpolitisches Album. Aber Mister Me ist kein Mann der plakativen Parolen. Er findet: Politik fängt beim Einzelnen an. “Ich glaube, dass die Ursache von vielen gesellschaftliche Problemen wie Sexismus, Rassismus oder anderen Ungerechtigkeiten aus den Mustern kommen, die uns anerzogen wurden und die viele unhinterfragt reproduzieren. Wenn Leute wie Orbán, Kurz oder AfD-Politiker fähig wären, sich selbst in einem größeren Kontext zu sehen, dann würden sie nicht so eine Scheißpolitik betreiben”, findet er. Nicht umsonst heißt ein Track auf dem Album “Utopie”, in dem sich der Songwriter wünscht, wir könnten alle schablonenhaften Konditionierungen hinter uns lassen. Oder “Null”, quasi das Aushängeschild der Platte, ein Rundumschlag mit der Botschaft: Alles geht auf Null, wir müssen von neu anfangen, und zwar gemeinsam, denn: Nur das Ende vom Hass kann uns retten.

Es ist dieser Blick auf die Dinge von jemandem, den die Tiefen des Lebens demütig gemacht haben, und die nie abhanden gekommene Begeisterungsfähigkeit eines Kindes, die Mister Me zu einem Live-Erlebnis machen. Unermüdlich seit seiner Jugend auf Tour, hat er sich etwa als Opening Act von Silbermond bis in die Arenen des Landes gespielt. Seine Fans lieben seine unfassbare Energie auf der Bühne und seine herzliche Art, so als würde er jeden einzelnen im Publikum persönlich kennen. Und auch er selbst kommt ins Schwärmen, wenn er zum Beispiel von den Konzerten in der Justizvollzugsanstalt Köln erzählt, wo er es schaffte, in kurzer Zeit die Insassen für seine Musik zu erwärmen.

Seine treue Anhängerschaft ist es auch, die sein aktuelles Album durch eine Crowdfunding-Kampagne unterstützt hat. Noch kein Ton war aufgenommen, da spendeten sie bereits, weil absehbar war: Dieser Kerl wird abliefern, und zwar mit Herzblut. Auf “Das Ende vom Hass” ist kein Wort anders gemeint, als es gesagt ist, da ist keine Pose, kein Kalkül.

Auf der Platte lässt er tief blicken, zeigt sich so zerbrechlich wie nie, ist dabei aber nicht larmoyant – und schafft es gleichzeitig, das alles in hinreißende Melodien zu verpacken. Stücke wie “Geister” oder “Alles Da” beweisen übrigens, dass der Rap-Flow noch immer flockt. Auf den intimen Songs macht sich Mister Me derart nackt, dass er es nur konsequent fand, auch fürs Artwork die Hüllen fallen lassen. Entweder ganz oder gar nicht. Platz für Kompromisse gab es nicht, weshalb er das Album komplett in Eigenregie veröffentlicht, weil er sich nur wohl fühlt, wenn er zu hundert Prozent aufrichtig sein kann.

Seine Suche nach Antworten auf die vielen Fragen in seinem Kopf führten den Songschreiber während der Albumproduktion auch in ein buddhistisches Kloster im Naturpark Bergisches Land und in die Dolomiten in Südtirol. Dem Berg Monte Piana widmete Mister Me den letzten Song des Albums. “Das Ende vom Hass ist vielleicht der Moment, in dem man sich in Gänze versöhnt hat mit allem, und in dem man somit nicht mehr wiedergeboren werden muß. Oder vielleicht wird man zu einem schönen Berg, in sich ruhend, wie der Monte Piana selbst. Doch dazu muß man erst begreifen, dass man niemals alleine funktioniert und wir alle voneinander abhängig sind.” Das ist das Ziel. Mister Me liefert die Songs dazu.

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Cover: Mister Me - Das Ende vom Hass
Das Ende vom HassMister Me

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Mister Me - Pink und Blau (offizielles Musikvideo)
Mister Me - Pink und Blau (offizielles Musikvideo)
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