7fields:  7fields
Release

17.03.2017

Artist

7fields

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7fields: 7fields

Einigen dürfte es ähnlich gehen wie dem Autor dieser Zeilen, wenn er zum ersten Mal den Namen hinter dem neuen Projekt 7Fields hört: Wolfgang Schrödl. Klingelt da was? Ja, es ist schon eine Weile her, mehr als 18 Jahre, um genau zu sein – aber die Melodie von Liquidos „Narcotic“ dürfte wohl jedem noch im Ohr sein, schon weil sich die Single weltweit einige Millionen Mal verkauft hat. Liquido ist ein Teil von Schrödls Vergangenheit, ein wichtiger Teil, wenn auch künstlerisch nicht der einzige. „Es war eine interessante Zeit mit der Band, das Jahrzehnt hat es in sich gehabt, wir haben viel getourt und gesehen. Aber es ist mittlerweile für mich wirklich Geschichte“, sagt er heute. Es gibt also nichts zu verschweigen an der musikalischen Vorgeschichte Schrödls, und doch spielt sie für die Gegenwart und das erste Album von 7Fields letztlich keine Rolle. Denn 7Fields ist etwas vollkommen anderes, oder wie Schrödl sagt: „Es ist endlich die Musik, die ich im Prinzip schon immer machen wollte. Jetzt hatte ich den Mut und die Ruhe dazu. Kein Schielen auf Radiotauglichkeit oder Breitenwirksamkeit, sondern ganz einfach das, was aus mir herauskommt.“

Nach Liquido probierte sich Schrödl mit der Band Unter Ferner Liefen einmal im deutschsprachigen Indiepop aus, „aber letztlich habe ich nach dieser Phase gemerkt, dass ich beim Texten im Englischen eher zu Hause bin.“ Eigene Solosachen produzierte er parallel schon immer, in seinem kleinen Homerecording-Studio. Einmal, vor vielen Jahren, war es fast so weit, dass er einiges davon mal zu einem Album bündelt, angestoßen durch den Produzenten Olaf OPAL, der ihn ermunterte, doch mal einen Alleingang zu wagen. „Ich hätte das vielleicht damals machen sollen, denn in der Band war ich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr richtig glücklich. Letztlich habe ich es gelassen aus Loyalität zur Band, was in der Rückschau vielleicht falsch war. Andererseits klingt 7Fields jetzt so wie es klingt, weil es extrem viel Zeit hatte, sich zu entwickeln und zu reifen.“

Damit sind wir in der Gegenwart und bei einer Platte, die man – nicht nur aus Deutschland – so wohl kaum bislang gehört hat. 7Fields ist ein Soloprojekt durch und durch, Schrödl spielt fast alle Instrumente selber und hat auch einen Teil der Musik alleine in seinem Heimstudio aufgenommen, vor allem Overdubs und die Vocals. Den Großteil der Produktion besorgte er im Berliner Chez Chérie Studio zusammen mit Giovanni Nicoletta, den man u.a. von Arbeiten mit Miss Kenichi und Dieter Meier kennt; an der Instrumentierung eines Tracks arbeitete er dazu mit Patrick Christensen aka „Nackt“, sonst vor allem bekannt als Co-Autor und Co-Produzent des Berliners Apparat oder durch sein Projekt The String Theory mit Jose Gonzalez. Ganz bewusst wählte Schrödl als Partner Leute aus, die teilweise aus der experimentellen Indietronic-Ecke kommen, denn das war der Ansatz: „Es war klar, dass 7Fields in der Ästhetik elektronischer wird als alles, was ich sonst so bislang gemacht habe“, sagt er. „Gleichzeitig aber sollte es keine Electro-Platte werden. Ich hatte kein Interesse daran, der nächste Beatschrauber zu werden, der seine Tracks am Ende mit ein wenig Stimme verziert. Der Ansatz war umgekehrt: Echtes Songwriting, das im Anschluss elektrifiziert wird, wobei das, was nun elektronisch klingt, in vielen Fällen mit echten Instrumenten oder Gegenständen eingespielt und nicht am Rechner programmiert wurde. Diese Kombination erschien mir als die spannendste und authentischste.“

Um einmal exemplarisch den Weg dieser Songs nachzuvollziehen, hier als Beispiel der Prozess des ersten für das Album geschriebenen Songs, „The First Day“: „Zunächst habe ich vor längerer Zeit eher traditionell zu Hause das Lied geschrieben und die Basis aufgenommen“, erzählt Schrödl. „Dann haben Giovanni und ich die Spuren teils ersetzt oder im Studio veredelt. Danach haben wir Nackt gebeten, mit uns zusammen auf den ganzen eigenartigen Instrumenten, die er da im Studio hat, weitere Klangschichten aufzunehmen. Zuvor einigten wir uns auf eine Ästhetik, an die wir uns anlehnen wollen. Dann haben wir Klänge ergänzt – und am Ende wieder all jene rausgeschnitten, die der Song letztlich doch nicht braucht.“ Fürwahr: ein weiter Weg. Aber einer, der sich gelohnt hat.

Dass die Songs des Albums viel Zeit hatten zu reifen, hört man unmittelbar. Denn viele davon gehen auf wie die Sonne am Morgen: aus dem Zwielicht erwächst die Farbe, wird kräftiger und breiter, erfüllt den ganzen Raum und strahlt letztlich in voller Breite. Diese Dynamiken zu erreichen, „ist ein langer Prozess zwischen Intuition und Nachdenken. Manchmal passiert bei mir fast zu viel davon, und dann ist es gut, jemanden zu haben, der einen wieder zurück in die Spur holt. Zumal ich mich dann auch gern inspirieren lasse von Klangwelten, die anderen dazu einfallen. Das ist für mich ein spannender Prozess. Mit dem Ende, dass ich mich freue, wenn man beim Hören die Wahrnehmung hat, dass die Musik genau zwischen Digitalem und Analogem liegt und man nicht genau sagen kann, was was ist.“

Dass die Songs von 7Fields – der Name übrigens eine Referenz an seine Jugend: er wuchs in der Gemarkung 7 Morgen, also einer aus sieben Feldeinheiten bestehenden Siedlung – durchweg stark melancholische Züge tragen, liegt einmal daran, dass das eben das Kompositionsgefühl von Schrödl ist, zum anderen aber auch an einem bedeutenden, tragischen Ereignis in seiner Familie, das er innerhalb der Texte aufarbeitet; es geht in vielen Songs um Abschiednehmen sowie um Verdrängung – zwei Aspekte, mit denen sich Schrödl im vergangenen Jahr intensiv auseinandersetzen musste, nachdem seine Mutter verstarb, und die ihren Widerhall nun in den sehr persönlichen Texten finden. „Ich war schon mal kurz davor, das Thema Verdrängung zu meiner Diplomarbeit zu machen, ich finde das hochinteressant. Der Mensch kann praktisch ohne Verdrängung überhaupt nicht existieren, als unbewusster Mechanismus. Ich war zum Beispiel lange starker Raucher und habe mich irgendwann gefragt: Wie kannst das tun, wo du doch solch einen Respekt vor dem Tod hast? Verdrängung. Wenn man daraus erst einmal aufwacht, funktioniert der Mechanismus nicht mehr, und das ist etwas, womit ich mich im Privaten zuletzt sehr intensiv beschäftigen musste. All das liest man nun in den Texten.“

„7Fields“, das Album, ist dementsprechend in wirklich allen Facetten und trotz gewisser Hilfe an einigen Stellschrauben ein Alleingang durch und durch. Es ist in bald jedem Ton und jeder Zeile voll und ganz Wolfgang Schrödl, seine Gedanken, Emotionen, letztlich: die Tonalität seiner Seele. Dies gilt sogar für das eine Coverstück der Platte, diese ätherische und spezielle Version des The Strokes-Stücks „Heart In a Cage“. „Ich finde es durchaus spannend, mal einen Song zu interpretieren. Wichtig ist mir dabei, dass man nicht einfach eine Kopie des Originals mit eigenen Stilmitteln erzeugt, sondern etwas herausarbeitet, was für diesen Song signifikant ist, im Original aber nicht richtig zum Vorschein kommt.“ Auch das ist ihm ausgezeichnet gelungen – hört man seine Version, fühlt man sich an das Original subtil erinnert, hört letztlich aber doch ein neues Lied. „Gerade wo die Platte dermaßen persönlich geraten ist, finde ich es auch als Hörer wichtig, mal kurz wegzukommen von all der intimen Schwere, die man da geboten bekommt.“

Nachdem er nun also relativ zu Beginn seiner musikalischen Karriere den großen Hit hinlegte, der – selten genug für eine deutsche Band – Millionen Platten im Ausland verkaufte, und nachdem er die Jahre danach aber – auch aus seiner Sicht – etwas zu überlegt weitermachte, ist nun der Zeitpunkt gekommen, wo man den Menschen, die Persönlichkeit, das Individuum Wolfgang Schrödl kennenlernt. Es ist eine Begegnung der besonderen Art, der man ausreichend Zeit geben sollte – 7Fields ist keine Platte, die man so nebenbei laufen lässt, während man ein paar Drinks mit den Kumpels nimmt. Und es ist auch nicht angemessen für ein derart aufrichtiges und spannendes Stück Musik. „Ich weiß schon, dass die meisten Liquido-Fans von früher mit der Platte vielleicht nicht so viel anfangen können“, sagt er. „Aber das macht nichts. Ich ärgere mich nicht über jene, die es ignorieren. Ich freue mich viel lieber aufrichtig über jeden, der zu dieser Platte eine Verbindung herstellen kann.“ Wer ein Herz und ein Köpfchen hat – und möglicherweise auch schon ein paar andere Platten in seinem Leben gehört hat, die etwas spezieller, künstlerischer und intensiver sind als das übliche Radiofutter – der wird diese Verbindung herstellen können. Das kann man nachgerade versprechen.

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