
23.05.2025
Letkowski : #seltensogelacht
Am 23. Mai 2025 erscheint das neue und erste Soloalbum des Musikers und Schauspielers Christoph Letkowski. »#seltensogelacht« ist ein auf intensive Weise mitreißendes Werk, mit dem Letkowski uns tief ins Herz einer persönlichen Krise zieht – mit hingebungsvollen Melodien und einer aberwitzig guten Songschreibermusik ohne Klischees. Im Gepäck hat Letkowski zwölf Songs übers Begegnen und Verbinden, übers Verlieren und Verschwinden, Songs übers Ein-, Ab- und Auftauchen, über Grenzen, Räume, Gefühle und Kompetenzen. Herausgekommen ist ein Album über all das, was man wohl »Mensch sein« nennt.
Die Geschichte von »#seltensogelacht« kann nicht erzählt werden, ohne die Geschichte von Christoph Letkowski zu erzählen. Künstler und Werk sind in diesem Fall eins, untrennbar miteinander verbunden. »#seltensogelacht« ist ein Album, das derart direkt und unmittelbar aus dem Leben kommt, wie das nur selten bei Musik der Fall ist.
Geschrieben wurde »#seltensogelacht« auf der A24, zwischen Lübeck und Berlin, mal stand Letkowski im Stau, mal war er der Stau. Die Platte beginnt mit einem atmosphärischen Akustikgitarrenintro und den Zeilen »Kennst Du die Bilder von den Soldaten ,davor'? Die Augen stolz, im Glanz der Hoffnung erhellt. Und kennst Du die Bilder von den Soldaten ,danach'? Die Augen tief, im Grau der Schatten erstarrt.« Letkowski kennt diese Bilder. Aus seinem Kopf. Und er hat aus ihnen Musik gemacht - so ehrlich wie noch nie. Er ist zurück, zurück aus der Angst und er hat selten so gelacht.
Mit dem folgenden, an die Dire Straits erinnernden »Unterm Strich« zieht wonnevolle Traurigkeit und Endgültigkeit ein - die Streicher oszillieren, die Drumsticks tanzen. Der Song ist eine Abrechnung, aber eine zugewandte. Letkowski glüht vor Emphase – und er ist Humanist: »Halt dich raus oder halt mit. Unterm Strich wünsch ich dir Glück.«, singt er, bittet aber auch darum.
Es folgt der schwelgerische, üppige Hymnus »Blinder Passagier« - dem Titel gemäß Unterwegsmusik. Ein gewaltiges Euphoriegewitter, das einen mitnimmt wie ein Zug, auf den man spontan aufgesprungen ist, weil er in die Sonne fährt – und man da ja schließlich eh schon immer mal hinwollte: »Vorbei an allem, was mal war, hier passieren wir.«, singt Letkowski, und man denkt an US-amerikanische Indie-Bands wie The War On Drugs, bei denen sich ja auch immer ganz viel Wehmut in die Euphorie mischt.
Letkowski, das merkt man gleich am Anfang des Albums, ist interessiert an den Dingen, die sein könnten, nicht immer an dem, was ist. Insofern ist »#seltensogelacht« bei aller Düsternis überwiegend hoffnungsvolle Musik, die für die beste Version unserer selbst streitet, auch wenn sie aktuell nicht immer abrufbar zu sein scheint.
Man muss hier also ganz besonders auf die Details achten: »#seltensogelacht« ist die Ruhe nach dem Sturm, das Reichen einer imaginären Hand, wenn man den Kopf wieder oben und den Blick ein bisschen zuversichtlicher in die Zukunft gerichtet hat, diese Haltung aber noch alles von einem fordert. Ohne zu verkleistern oder zu beschönigen.
Es folgt der wohl wichtigste Song von »#seltensogelacht«, »Provinz«. Hier spielt eine einsame Trompete neben dynamisch gezupften Akustikgitarren inmitten absurd und gefühlvoll besungener Bilder. Wie in einem Sittenspiel beschreibt »Provinz« gekonnt die Versachlichung einer Herzenssache auf musikalisch reduzierte und gleichzeitig so pointierte Art, dass man sich beim Hören unweigerlich an die eigene, selbstverschuldete Unmündigkeit erinnert. »Aber auch an einen gewissen Passierschein A38«, so Letkowski. »Die Meinungsbilder häuten sich. Vielleicht bleibt da ein kleines Licht, das irgendwann zum Feuer wird, an dem wir sitzen und zuhören.«, endet Letkowski und man weiß nicht so recht, ob man lachen oder weinen soll.
Wir müssen aber jetzt erst mal kurz erklären, was es mit dieser irrsinnig intensiv-schönen Musik überhaupt auf sich hat: Bis 2018 kannte Christoph Letkowski eigentlich nur eine Richtung: weiter, immer weiter. Den Theater- und Filmschauspieler könnte man als Sunnyboy beschreiben, ohne ihm zu nahe zu treten. Jahrelang war er auf der Überholspur unterwegs, Letkowski war im Ensemble der Volksbühne Berlin, er spielte den Pfleger Robin in der Literaturverfilmung »Feuchtgebiete«, war in zahlreichen »Tatort«-Folgen zu sehen, überhaupt in zahlreichen Krimis und Serien, zuletzt etwa in der MagentaTV Serie »Nachts im Paradies«.
Ein Gesicht also, das man kennt, aber eine Stimme, die es mehr als wert ist, endlich breiter gehört zu werden. Der Musiker Christoph Letkowski hat nach diversen Projekten 2017 mit seiner Band Von Eden das Album »Wir sind hier« veröffentlicht, zudem verantwortet Letkowski als Regisseur zahlreiche Videos für Bands wie Kettcar oder Feine Sahne Fischfilet. Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, dass »#seltensogelacht« nun Christoph Letkowskis bislang persönlichste und wichtigste künstlerische Arbeit darstellt. Letkowski schlüpft hier nicht in eine Rolle, er hat sich keine Konzepte überlegt, sondern die Musik ist er, er lebt und atmet diese Lieder.
Und das hat eine Menge mit dem Jahr 2018 zu tun: Auch damals macht er zunächst noch zehn Filme als Schauspieler, dreht Musikvideos, spielt eine Tour mit Von Eden, wird Vater. Doch dann wirft ihn eine traumatische Trennung aus der Bahn. Letkowski hat Angst, sein Kind zu verlieren, er kämpft bald um sein Leben und sein Kind, rutscht von einem auf den anderen Tag immer tiefer in eine existenzielle Krise.
Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit. Das waren die Gefühle, mit denen es losging. »Hätte ich zu der Zeit Musik gemacht, wäre es wohl Hardcore-Punk gewesen«, sagt Letkowski, »ich hätte einfach nur gebrüllt.«
Das wollte er aber nicht. Letkowski wollte warten, bis sich eine Perspektive ergab. Doch es beginnt ein Familienrechtsstreit, der ihn zunehmend kreativ auf Eis legt. »Im Familienrecht wird in den Köpfen der Entscheider*innen immer noch größtenteils auf ein uraltes Rollenmodell gesetzt«, sagt er. »Der Mann verdient das Geld, die Frau ist für die Kinder da. Auf Basis dieser antiquierten, patriarchalen Perspektive haben vor allem unverheiratete Väter quasi kaum Rechte und Räume. Wenn das Elternteil mit dem größeren Umgangsanteil - meistens die Mutter - nicht reden will, wie man bspw. die Lebensrealität eines Kindes bei gemeinsamen Sorgerecht gestalten will, läuft man brutal gegen Mauern. Ich finde das furchtbar, weil es mir zeigt, wie weit wir von echter Parität entfernt sind. Bei aller wichtiger aktueller gesellschaftlicher Diskussion um die Gleichberechtigung der Geschlechter vergessen wir dabei vor allem eins: unsere Kinder und demnach in gewisser Weise auch unsere Zukunft.«
Letkowski spricht über diese Themen, weil es ihm um Veränderung und Bewusstmachung geht: »Männer- und Vätergruppen zeigen oft mit dem Finger auf die Frauen und Mütter, aber das ist der falsche Weg«, sagt er. »Mir geht es um gesellschaftlichen Wandel und Dialog. Diese starren Rollenmodelle und die damit verbundene Trägheit müssen aus den Köpfen verschwinden. Das sind wir unseren Kindern und letztlich uns selbst schuldig.«
Darauf aufbauend folgt der wohl exemplarischste Song von »#seltensogelacht«: »Der halbe Weg«. Neben der Arbeit an seinem Album mündet Letkowskis persönlicher Kampf an den Grenzen des Systems zunächst in einem psychischen Zusammenbruch: Mit einer entwickelten Angststörung und Panikattacken begibt er sich schließlich in eine Klinik und kümmert sich um seine Genesung. Irgendwann in dieser Zeit platzt bei ihm plötzlich der Knoten. Die Geschichte für den Song »Der halbe Weg« hatte er bereits im Kopf und schrieb ihn dort in den kommenden Wochen zu Ende. Es geht in dem Lied um Beziehung - dass zwei Menschen sich auf halbem Wege begegnen und sich an einer Grenze treffen. »Beziehung finden an Grenzen statt und man sollte darauf achten, diese nicht zu übertreten. «, sagt Letkowski.
»Das bedeutet aber nicht, dass es in all diesen Songs auf dem Album ausschließlich um mein Leben, ausschließlich um meine Geschichte geht. Von dort kommt zwar viel Inspiration, doch habe ich viele Menschen auf meiner Reise getroffen und vieles gesehen, dem ich ganz viel zusätzlichen Kredit für das Ergebnis geben möchte. Auch hätte ich die Aufnahmen nicht ohne die Hilfe einiger ganz besondere Verbündete realisieren können.«, so Letkowski. Mit dem befreundeten Musiker Thomas Moked Blum, der unter anderem mit Fink, Patricia Kaas und Von Eden gespielt hat, arbeitet er während der Corona Pandemie seine ersten Ideen aus, außerdem kommt bald der Produzent Swen Meyer (Kettcar, Tomte) hinzu. Später ist auch noch Jens Schneider (Lotte, Max Giesinger, Wincent Weiss u.a.) an »#seltensogelacht« beteiligt.
»Die Kombination aus meinem Indie-Ansatz mit dem weltmusikalisch geprägten Blum und dem Hamburger Indie-Spezialisten Swen Meyer fand ich interessant«, sagt Letkowski, »und darauf kommt jetzt der Pop-Glamour und Indie-Pathos von Jens Schneider.«
Mit Pop tun wir uns in Deutschland ja gerne ein bisschen schwer - wer Pop sagt, meint in diesem Land meist Schlager. Nicht so Letkowski: Ein euphorischer Indie-Pop, wie man ihn in Teilen von Kettcar kennt, aber vor allem eben von internationalen Acts wie den frühen Coldplay oder The National. Letkowski ist überdies bestens mit der guten Seite der klassischen Liedermacherszene vertraut, wie in Liedern wie der sanften Ballade »Fern von allem« immer wieder durchkommt. Diese Musik ist im besten Sinne zeitlos und voller Poesie, Zärtlichkeit und Empathie.
In »Die Verwandten« etwa erinnert sich Letkowski an bessere Tage, er singt dieses Lied wie eine Beschwörung, weil es ja wirklich unglaublich ist, wie aus sich liebenden Menschen wieder Fremde werden können, die sich nichts mehr zu sagen haben. Wie soll man das jemals verstehen?
Neu aufgenommen und arrangiert hat er den vielleicht besten Song, den er für seine Band Von Eden geschrieben hatte: »Mensch von eben«, der auf »#seltensogelacht« indes ungleich düsterer erscheint als in der Originalversion.
Mit dem an Tom Waits erinnernde und mit Seraphina Kalze gesungene »Dieses Mal« geht es ein weiteres Mal auf die Straße, der Weg nach irgendwo, denn das bleibt am Ende ungewiss: Kalze und Letkowski wissen scheinbar nicht, wie es weitergeht - keine Ahnung, ob es eine Lösung gibt.
»Kleiner Frieden« ist geprägt von den Erfahrungen der Corona Pandemie, zu dezent gezupften Gitarren singt er: »Wie viel kann ein Mensch ertragen, wenn die Zeit zweifach vergeht, an lauten wie an leisen Tagen, kommt die Selbstkritik zu spät.« Wie so vieles aus dieser Zeit bleibt auch Letkowski Song erschreckend aktuell und im unaufgeräumten Kosmos ein zeitloser Beitrag mit großer Nachfrage.
»Zum Leben zu viel und zum Sterben zu wenig«, singt er in »Gleiches«, einer Ode an den Zauber des Moments. Letkowski weiß: Mehr als diese Sekunde haben wir nicht, alles andere ist ungewiss. Überall sind in diesen Liedern überraschende kleine Melodien, ein himmelwärts hüpfendes Keyboard, ein schöner Chor, eine flirrende Gitarrenfigur untergebracht. Diese Musik ist fein ausziseliert und man spürt in jeder Sekunde ihre Dringlichkeit.
Das Album endet wie ein Paukenschlag mit der »Der Junge an deiner Tür«. Ein betrübt entrücktes Klavier, eine dynamische, fordernde Akustikgitarre, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit, Ungewissheit. Schließlich vermitteln, ein Schrei, verzerrte E-Gitarren und ein treibendes Schlagzeug dringendes Aufbegehren. Dann hört man ihn atmen.
Diese Songs mussten geschrieben werden, sie kommen direkt aus der tiefsten Lebenskrise des Künstlers Christoph Letkowski, der sowohl an die Grenzen des Systems, als auch an seine eigenen gestoßen ist. Eines ist gewiss: Er ist nicht allein und er weiß es am Ende auch nicht besser als wir. »#seltensogelacht« ist im besten Sinne ein Gesprächsangebot.