06.05.2022
SOPHE: Restore your grounding, recount your blessings
Schon nach dem ersten Hören von „restore your grounding, recount your blessings“ erahnt man, dass für SOPHE das Verschmelzen diverser Genres zu mitreißender Popmusik eine leichte Übung ist. Hinter SOPHE steckt die aus Berlin stammende Musikerin Sophia Bicking. Nach jahrelanger Tätigkeit sowohl als Leadsängerin in Jazzclubs, Komponistin für verschiedene Projekte, Backgroundsängerin in Popbands oder auch als Vocal Coachin, macht sie sich nun mit SOPHE auf, neue Wege zu gehen. Es ist ihre bisher, wie sie selbst sagt, „persönlichste und authentischste“ Performance als Musikerin, denn die volle künstlerische Kontrolle liegt bei ihr. „Restore your grounding, recount your blessings“ ist die erste Single ihrer im Herbst erscheinenden EP „Restore“. Der Song ist der seit Langem schönste und unesoterischste Aufruf, in sich zu gehen, sich den eigenen Tiefen zu stellen, um Vergebung an sich selbst und für andere zu üben. Ganz ohne Teebeutel-Weisheit. Eine Ode an die Tatsache, dass seelische Abgründe und Glückseligkeit nicht ohneeinander existieren können und sich sogar gegenseitig brauchen. „All the things you are buying are never enough“ singt SOPHE als Einstieg mit einem so klaren und warmen Sound, der jede FDP-Wähler*in zum Umdenken bewegen könnte. Spätestens wenn in der ersten Strophe der fast Afrobeatanmutende Drumgroove und funkige E-Bass einsetzen, bekommt die Hörer*in Lust noch lauter zu drehen. Und diese Lust wird nicht enttäuscht: Der erste Refrain ballert mit seinen unerwarteten Harmoniewechseln so schön rein, dass man trotz Überangebot auf Spotify doch noch genau diesen einen Song weiterhören muss. „A lot to restore“ ist der Schlusssatz des ersten Refrains und auch angesichts der letzten zwei Corona-Jahre ein passendes Statement: Man hat Rückschläge erlitten, muss sich mühselig wieder aufrappeln, um wieder aufrecht gehen zu können. Aber es ist ok. Man schafft das. Im Text verarbeitet SOPHE Persönliches. Sie singt von der Wichtigkeit sich mit den eigenen Fehlern und Abgründen auseinander zu setzen, um sich selbst und nicht zuletzt seinen Mitmenschen mit Nachsicht begegnen zu können. „All your demons hiding. You gotta send them off“ ist ein schwer in der Magengegend liegender Satz, aber ermutigend. Sie singt davon, dass das Leben einen vor Aufgaben stellt, die es zu lösen, und Wunden, die es zu heilen gilt. Dass (mindestens auf unbestimmte Zeit) alles wieder ok bis gut werden kann, wenn man alles mal in Perspektive setzt und seine Privilegien checkt. Spätestens beim Einsetzen der Bridge hat man dann aber das Gefühl, dass SOPHE ganz genau weiß wie man die hartnäckigen Dämonen abschütteln kann. Ihre Backingvocals breiten sich mit „Restore, restore, restore“ , gepaart mit dem warmen Synths-Sound (der jedes Retro-Herz höher schlagen lässt) wie ein MantraTeppich unter der darüber schwebenden Lead-Stimme „you gotta restore your grounding, you gotta count all your blessings“. Die Hörer*in fühlt sich in auflösende Sphären versetzt. Die letzte Strophe eröffnet mit dem geläuterten „Should be worse. But it’s alright“. Man kann wieder aufatmen. Es war zwar alles schmerzhaft und man hat Narben eingebüßt, steht nun aber wieder auf beiden Beinen. Für das dazugehörige Musikvideo hat SOPHE mit dem Leipziger Schauspieler Roman Kanonik eine ideale Besetzung der Hauptrolle gefunden. Mit berührender Tiefe mimt er den gefallenen Entertainer, der im Moment der verzweifelten Einsamkeit seine Erlösung im wärmenden Scheinwerferlicht findet. Dort lässt er sich von der Musik und seinen Bewegungen leiten. Den zweiten Charakter im Video spielt SOPHE selbst (aber nicht SICH selbst. Oder doch?). Am Ende schütteln sich die beiden Seite an Seite die Dämonen vom Leib. Der Schluss verrät nicht ganz ob alles nur erträumt war oder ob der Glückszustand doch noch nachhaltig bestehen kann. Auf jeden Fall könnte er das- wenn man gleich nochmal von vorne hört