27.01.2012
The Bianca Story: Coming Home
Beschäftigt man sich mit der aktuellen Musikszene, fällt vor allem auf: In der Schweiz ist was
los. Die dortige Künstlerszene scheint täglich zu wachsen. Ob Sophie Hunger, Boy, We
Invented Paris, Navel oder Bonaparte. Sie alle kommen aus der Schweiz und lassen seit
geraumer Zeit unsere Herzen im Takt pochen. Dieses Phänomen erinnert stark an Schweden
vor einigen Jahren. Nun ist anscheinend das nächste Land an der Reihe, welches eine
abstrus gute Klangkost nach der anderen in die Welt aussendet. Musikzauberei?
Zaubertranktopf? Oder einfach nur tolle Musiker, die sich jahrelang sorgfältig in ihren
Proberäumen aufgewärmt haben und nun, im genau richtigen Moment, mit dem Echo der
Berge im Nacken, zu uns getragen werden?
Diese Geschichte handelt also von Anna, Elia, Fabian, Joel und Lorenz, von ihrer Band "The
bianca Story", ihrem neuen Album "Coming Home" und einer damit verbundenen Reise,
derer sie sich zu Beginn wahrscheinlich noch nicht einmal selber bewusst waren. Fragt man
Elia heute, worum es auf dem neuen Album geht, antwortet er: "Um Sehnsucht, Liebe, um
Tod und Heimat und um unsere sehnsüchtige Generation der Desillusionierten, welche trotz
allem noch viele Wünsche offen hat."
Aber spulen wir mal kurz am Zeitrad. Ostern 2010. "The bianca Story" hatte gerade ihren
Vertrag beim neuen Management unterschrieben und es ging mit frisch geschriebenen
Songs nach London, in die legendären Abbey Road Studios, um nach "Hi Society" den
zweiten Langspieler zu produzieren. Dort wartete ein Bläser- und Streicherorchester darauf,
mit ihnen die frisch arrangierten Songs aufzunehmen. Der Moment, in dem die Musiker ihre
Lieder ab Blatt spielten, sei ein unbeschreiblicher Moment für alle gewesen, sagt Anna: "So
ähnlich, als würde ein riesengroßes Publikum deine Texte mitsingen".
Die Zeit in den Abbey Road Studios wurde wohl zu der intensivsten, die die Band jemals
zusammen erlebt hat. Alle waren sich darüber bewusst, dass sie hier, dank ihres damaligen
Managers Nigel, eine riesengroße Chance bekamen, ihre musikalische Vision auf ein Album
zu bannen. Das baut natürlich Druck auf, jedoch beflügelt es gleichzeitig ungemein.
"Take my hand / We go wherever sun rises high / And follow the river of shiny bright
colours / Life runs much better if you sing it for 2".
Somit wurde jeder Einzelne aus der Band schon in der Entstehungsphase des Albums
zusätzlich noch einmal für sich ganz persönlich mit den eigenen Grenzen, seinen kreativen
Fähigkeiten und seiner Musik konfrontiert. "Diese Band ist auch eine Art Sozialstudie", sagt
Fabian und grinst. "Ob man es schaffen kann, 5 solch unterschiedliche Köpfe
zusammenzuführen und zu halten."
Wenn man also an Grenzen stößt und an sich selber, wird eine unwahrscheinliche Energie
frei gesetzt. Und dann muss man sich entscheiden: Kapitulieren oder über sich
hinauswachsen. Hört man "Coming Home" erahnt man in den ersten Sekunden, wofür sich
The bianca Story entschieden haben.
"Coming Home" ist Post Empire-Pop, im besten Sinne von Bret Easton Ellis. Episch-ehrliche
Melodien treffen auf Seemanns-Romantik mit Beatbox-Drums; Verrauchte Club-Beats
heiraten die naive Jugend; die ohnmächtige Wut der namenlosen Generation der 90er
liebäugelt mit der Sanftmut.
Die Texte der Band handeln von der Suche, von der Sehnsucht und vom Kampf, seine ganz
persönliche Wahrheit zu finden. Von Menschen, die einem nahe stehen nur um im nächsten
Moment weiter entfernt zu erscheinen als das Größenverhältnis vom Atom zur Welt, vom
Aberwitz unserer Gesellschaft, von jedermanns Heimat, von dir und von mir. Und natürlich
vom Ankommen.
In der Zeit in den Abbey Road Studios und auch durch alles, was danach passierte, ist die
Band deutlich hörbar zu einer Einheit verschmolzen, besonders durch den tragischen Tod
ihres Managers Nigel und den Wechsel der Plattenfirma. Viele Ereignisse haben die
Entstehung dieser Platte begleitet. Vieles war geplant, doch noch mehr ist einfach passiert,
Hochs und Tiefs gingen Hand in Hand. Das alles konnte aber ihrer Leichtigkeit und ihrer
Unkonventionalität nichts an haben.
Es ist wohlig ruhig und besinnlich in der Schweiz. Das macht bestimmt der Schnee. Der
verschluckt Geräusche und taucht alles in eine tiefe, schläfrige Watte. Aber wenn das Land
dann mal kurz erwacht und seine Künstler in die Welt versendet, dann mit einem
ohrenbetäubenden Echo.
ohrenbetäubenden Echo.
The bianca Story wird zweifelsfrei das nächste Echo sein, von dem wir fasziniert sein werden.
Besonders durch ihre Virtuosität und die Fähigkeit, Ihre Instrumente wie das Abbild einer
modernen Sinfonie zu spielen. Daraus entstehen folgerichtig verspielte Melodien und
Sounds, die die Songs so irrwitzig logisch und tanzbar machen. Getreu dem Motto: "Dancing
People Are Never Wrong!"