15.04.2016
Tropic: I Am The Rain If You Are The Meadow
I am the rain if you are the meadow, das ist ein Album das nachts durchs Dickicht streift. Seine Melodien schlingen sich wie feuchtes Gras um nackte Fußknöchel. Der Taschenlampenkegel kreist. Zwischen dunklem Laub und weißem Atem stehen Leiber, die knutschen, die flüstern. Wir sehen Liebesgeschichten, die mal welche waren und welche, die es werden könnten. In zehn Liedern erzählt TROPIC von dort, wo Menschen sich miteinander verweben, erzählt vom knorrigen Verlangen, vom Knacken im Unterholz und tief verwurzelter Gier.
TROPIC, das sind Sänger und Songwriter Peter Folk und Filmmusikkomponist (u.a Tatort) und Musikproduzent Johannes Lehniger. Als sie sich trafen war Peter Folk ein trauriger Junge mit Gitarre, der sich selbst nicht mehr hören konnte und Lehniger jemand, der mehr wollte als Werbemusik komponieren oder Imageclips vertonen. So geht das nicht weiter, so kann das alles nicht sein, das war die Stimmung in der sich die Künstler whiskeybeschwingt von Filmen und Musik erzählten. Von Francois Truffaut etwa und Ingmar Bergmans "Schreie und Flüstern". Sie hörten Bowie, die Beatles, Scott Walker, Bobby Darin oder James Blake. Dann setzten sie sich an die Instrumente, und begannen Nacht für Nacht ihre eigenen Filme zu erzählen – in Songs. Heute sagen sie, dieses Album voller Cineastik, es hat sie gerettet.
Sie schrieben auch Lieder fürs Kino und das Fernsehen. Erfolgreich. 2014 wurden sie gemeinsam für den Deutschen Filmpreis in der Kategorie Beste Filmmusik für den Film „Tore tanzt“ nominiert. „Tore tanzt“ - Regisseurin Katrin Gebbe revanchierte sich mit einem Musikvideo zu "I Am The Rain If You Are The Meadow". Der gardinenverhangene, dichte Song inspirierte die Filmemacherin zu einer düsteren Geschichte um Liebe und Besitzanspruch, die sie mit Maren Kroymann und Ludger Pistor inszenierte. Pistors Frau ist verstorben. Er nimmt die letzten Haare von ihrer Bürste. Am nächsten Morgen wacht er wieder neben ihr auf. Aber seine Frau ist jetzt ein Hund. Das Gespann aus vier und zwei Beinen tanzt und isst gemeinsam. Aber er ist nun ihr Herrchen und damit endlich ihr Herr. I don't want you to leave the house, swingt Folk durch Orgel–, Streicher– und Gitarrentöne. Pistor fesselt Kroymann mit einer Telefonschnur. Wenn du mich wirklich liebst, bin ich genug, sind wir beide – Regen und Wiese – genug.
Im Opener "Something Dark Around You" wacht der Gesang morgens zu zuversichtlichen Gitarrenklängen auf. Aber halt, was passierte in der Nacht zuvor? Streicher ziehen ihn zurück auf das Kissen, erzählen von einem dunklen Spiel mit einer Frau, die fasziniert von ihm ist und gleichzeitig Angst vor ihm hat. Denn: he's handsomly lost in thoughts, eyes like an oak. Den sich orgiastisch steigernden weiblichen Part singt hier Schauspielerin Sandra Hüller. Die gemeinsame Geschichte von Misstrauen und Hingabe, sie endet vertanzt im Synthesizer-Exzess.
Im TROPIC-Kosmos, da ist eine Trennung, der Schnitt, das Simpelste. In nur einer Nacht - seine Ex-Freundin packte gerade im Nebenzimmer ihre Sachen - schrieb Peter Folk "Spread Your Love". Lehniger arrangierte ihn mit düsteren Streichern und tiefen Bässen. Der Regisseur Michael Venus drehte das wunderbare Video dazu. Der gemeinsame Moment des Glücks, er könnte der letzte sein.
Mit einer Hammond-Orgel und einer alten Bassgitarre überrascht das Duo im Scott Walker fröhlichen "You'll Be The First To Know". Ein Song, der einen mitnimmt in ein Auto, auf dessen samtenen Sitzen unterwegs so manch einer wunderschön verunglückt.
"Save your love for me" ist TROPICs Chanson. Die Welt geht unter, liegt bald grau in Schutt und Asche. Panik und Rauch umgibt ein nicht mehr ganz so junges Paar, doch das Duo nimmt uns weiß behandschuht mit auf die Straße. In ihrem kleinen Cabrio fahren sie durch die Trümmer des Lebens, das sie kannten. Jacques Brel singt im Radio. Es klingen die Streicher und eine Trompete. Sicher, alles geht zu Ende, aber mit der Musik fahren wir immer weiter.
Am Ende des Albums steht ein Roadmovie, ein nächtlicher Ausflug. In "The Trip" sitzt der Hörer im Zug. Das Schlagzeug rauscht über die Schienen. Immer wieder knarzt eine Altflöte. Gegen die großen Zugscheiben neigen sich Bäume, und stellen die große Frage: Where are you going my friend? Am nächsten Morgen steht die Sonne über den Schienen, der Alptraum scheint vorbei. Ist das ein Happy End?