20.01.2023
Veronica Fusaro: All the Colors of the Sky
Veronica Fusaro hätte es sich einfacher machen können. Ihre Stimme ist ein Selbstläufer, es gibt kaum einen Medienbericht, in dem diese nicht als «grossartig» hervorgehoben wird. Sie könnte sich mit ihrer Gitarre hinsetzen, einfachste Lieder singen und man wäre überwältigt. Überhaupt hat die Künstlerin, die seit der Veröffentlichung ihrer selbstproduzierten EP «Lost In Thought» 2016 am Glastonbury, am Eurosonic Festival oder als Support-Act von Mark Knopfler oder Eagle-Eye Cherry begeisterte, bei ihren Fans längst einen Stein im Brett. Ihre EPs «ICE COLD» (2018) und «Sunkissed» (2019) erreichten beide Charts-Platzierungen. Doch Veronica Fusaro will mehr, sie will «All the Colors of the Sky», wie ihr Debütalbum treffend heisst. Ihre Songs sollen mehr sein als eine blosse Kombination von Stimme und Melodie, die Arrangements nuancenreicher – wie der Himmel eben, der nie einfach nur blau oder grau ist. Fusaro vereint unterschiedliche Einflüsse, kombiniert knackige Rhythmen mit Harmonien, so schwungvoll wie Pinselstriche. Die Songs pendeln von leichtfüssig bis schwerfällig, immer wieder tauchen Instrumente oder stimmliche Finessen auf, mit denen man noch zwei Takte vorher nicht hatte rechnen können. Die Möglichkeiten, die die Musikerin auslotet, bleiben aber immer im Bereich des Rohen und Schlichten. In gewissen Momenten erinnert der frische, mal bluesige, mal soulige Sound an Sommernächte im Süden. Und dann wieder an Filmmusik. «All the Colors of the Sky» ist für alle zugänglich und schwebt trotzdem weit über dem Mainstream. Man spürt, dass Veronica Fusaro ihren Erstling mehrheitlich in ihrem Kellerstudio geschrieben hat, fernab von Lärm und visuellen Reizen. Von da aus konnte die Künstlerin gleichzeitig einen ruhigen Blick auf „the modern world of ours“, wie sie es nennt, und in ihr eigenes Inneres werfen. Sie spricht allen Menschen aus der Seele, die mit Zeiterscheinungen wie Informationsflut, Erfolgsdruck und Idealen ringen. Das Schöne an „All the Colors oft he Sky“ ist das grosse Aber, das sich durch das gesamte Album zieht und die harten Seiten des Lebens in einen hoffnungsvollen Kontext setzt. „Don’t be so hard on yourself“ heisst ein Track, den Veronica Fusaro an sich selbst richtet. Sei nicht so streng mit dir, die Ermahnung funktioniert auch auf die gesamte Gesellschaft angewendet. Laut Fusaro leben viele „nur noch fürs Wochenende“ und vergessen, das Glück im Moment zu finden. Dabei lässt sich selbst in einem Beziehungsaus ein gewisser Zauber finden. Dafür steht «Summer Lightning», ein Trennungssong, der alles andere als in Jammerlaune versetzt. Und auch «Cry Me an Ocean» hat den Effekt eines Mittelfingers in Richtung Vergangenheit, nachdem der Befreiungsschlag erfolgt ist. Er klingt nach einem wohltuenden Ende einer unglücklichen Geschichte und nicht nach Schmerz. «Grey Colored Sky», eine persönliche und unglaublich starke Ballade, die von allen Songs auf dem Album wohl am meisten unter die Haut geht, handelt von Heilung. Veronica Fusaro ist eine Inspiration für all diejenigen, für die die Welt hin und wieder zusammenbricht. «All the Colors of the Sky» macht Mut und Lust darauf, in einem Ende immer auch einen Neubeginn zu sehen. Oder in der Sprache von Veronica Fusaro gesprochen: im schwarzen Nachthimmel bereits die Morgenröte. Niemand kann den Mood dieses beeindruckenden Debütalbums besser beschreiben als die Künstlerin selbst. «Ich verpacke gerne melancholische Gefühle in buntes Geschenkpapier», sagt sie. Und wenn wir schon bei Kontrasten sind, dann sei es ausnahmsweise erlaubt, der Einzigartigkeit, die Fusaros Musik innewohnt, eine der abgedroschendsten, in diesem Fall aber für einmal sehr treffenden Floskel gegenüberzustellen: «All the Colors of the Sky» ist ein richtig reifes Werk.