06.08.2021
EVERDEEN: Do You Wanna Play
Nachdem sie in den letzten Jahren mehr als nur ein wenig Aufsehen in der erblühenden Indie-Szene Süddeutschlands generieren konnten, sind Everdeen bereit für den nächsten Schritt – oder Sprung, um genau zu sein: Mit „Stay“ entledigt sich das Stuttgarter Trio endgültig der Rolle der melancholischen, introvertierten Indie-Tagträumer und zeigt uns stattdessen sein wahres, weltoffenes Gesicht. Zwischen kosmopolitischer Chuzpe und jener schwer greifbaren Sehnsucht gabeln auf dem Weg zahlreiche neue Einflüsse und Aromen für ihren jenseitigen Indie Rock auf und segeln entschlossen einem neuen Horizont entgegen.
Gegründet im sonnengetränkten San Francisco von US-Amerikaner Ian Stahl und der türkisch deutschen Sängerin Sümeyra, fand sich das Duo bald darauf in Stuttgart wieder. Hier trafen sie mit Schlagzeuger Thommy Mross zusammen, mit dem sie ihren Sound reifen und gedeihen ließen. Wie es sich für ein wahrhaft interkontinentales und interkulturelles Trio gehört, machte sich dieser Sound nie von einem bestimmten Ort abhängig und zielt eher auf internationale Standards ab, wie sie in Großbritannien oder Skandinavien aufgestellt werden. Das macht „Stay“ nicht nur zu ihrer bislang stärksten Veröffentlichung; es ist zugleich ihr ergreifendstes, überzeugendstes Werk, ein Werk, das sich in triumphierenden, überwältigenden Soundwällen über seine Hörer ergießt.
Dadurch wurden Everdeen zugänglicher ohne dabei ihre geisterhafte, ätherische Aura zu verlieren, die auch Bands wie Florence + the Machine oder London Grammar atmen. Das führt zu musikalischen Kostbarkeiten wie die euphorisierende Wucht des Openers „This Place“, eine Hymne darüber, in einem Kaff gefangen zu sein, das bittersüße „Don’t Give Up The Ghost“ oder das sagenhaft treibende „Heart Shaped Gutter“. Während diese Songs für die wilde, die ekstatische und ausschweifende Seite des Trios stehen, zeigen Stücke wie der elegische Sundowner „Colours“ oder das schwere, monumental wogende Epos „By The Water“ das Zwielicht in ihren Herzen zeigen und sollten am besten nach Sonnenuntergang genossen werden. „Stay“ ist für die Träumer. Für die Kämpfer. Für all die, die die Hoffnung selbst in der größten Dunkelheit nicht verlieren. Und in einem schrägen Jahr wie diesem haben wir genau so etwas gebraucht.