24.11.2021
Sofia Portanet: Real Face
Sofia Portanet ist die große Hoffnung der deutschen Poplandschaft - als Bester Newcomer bei den prestigeträchtigen VUT-Awards, die im Rahmen des jährlichen Reeperbahn Festivals verliehen werden und Liebling der Presse seit dem Release ihres Debütalbums Freier Geist im vergangenen Jahr, hat die Berliner Künstlerin nun mit Real Face einen neuen Song mit immensem Hit-Potential veröffentlicht.
Sechs Worte, die verdammt viel Mut erfordern: „It’s okay not to be okay“. Wenn Sofia Portanet diese Wahrheit in ihrem neuen Song „Real Face“ ausspricht, ist das nicht weniger als ein Manifest: gegen den Zwang, ständig funktionieren zu müssen. Gegen das Gefühl, der Welt nur die optimierte, perfekte, strahlende Version seiner selbst zumuten zu können. „Ich möchte mich nicht mehr verstecken“, sagt Sofia Portanet über den Song, „sondern mein wahres Gesicht zeigen. Mir Schwächen eingestehen, mit der Welt teilen, wer ich bin. Es ist okay, wenn man Zweifel hat und nicht immer stark ist.“
Es sind kraftvolle Sätze, die manche vielleicht überraschen dürften – und genau deshalb so wichtig sind. Schließlich kennt man Sofia Portanet als Künstlerin mit starker Bühnenpräsenz und Energie für zehn. Betreten hat sie die Welt mit einem Knall: Sofia Portanet wurden am 9. November 1989 in Kiel geboren, am Tag, an dem drüben in Berlin die Mauer fiel. Aufgewachsen ist sie in Paris, wo sie eine deutsche Schule besuchte – und ständig von Musik umgeben war: Ihr spanischer Vater ist Berufsmusiker, ihre deutsche Mutter ein großer Popfan. Sie selbst sammelte ihre ersten Gesangserfahrungen an einem renommierten Ort: im Kinderchor der Pariser Nationaloper.
2010 zog Sofia Portanet nach Berlin und vernetzte sich dort mit der lebendigen Musikszene der Stadt. 2018 schließlich betrat sie die Bühne, wie könnte es anders sein, mit einem weiteren Knall: Ihre ersten Veröffentlichungen – Songs wie „Wanderratte“ oder „Freier Geist“ – fanden viele Fans. So viele, dass sie nicht nur auf europäische Qualitätsfestivals wie das Eurosonic und das Reeperbahn-Festival eingeladen wurde – sondern auch gleich mal zum SXSW-Festival nach Texas. Ein Ritterschlag für alle, die zeitgeistige Musik an der Schnittstelle von Rock, Pop und elektronischer Musik machen. Der WDR zeichnete sie zur „Besten Newcomer 2019“ aus, die britische BBC war ebenfalls schockverliebt und nannte Portanet „Germany's next international pop star“.
Ihr Debütalbum „Freier Geist“, erschienen im Sommer 2020, wurde nicht weniger begeistert aufgenommen, von Kritikern wie auch Fans. Portanet sang auf Englisch, Deutsch und Französisch. Auf eine Sprache wollte sie sich genauso wenig festlegen wie auf ein Genre. Ihr Popentwurf verband Wave, Art Rock und Postpunk, klang manchmal theatralisch, oft poetisch – kein Wunder, denn Portanet ist ein großer Fan von Rilke, Heine und anderen Lyrikern. Es scheint, als könne sich gerade alle Welt auf diese eigenwillige Künstlerin einigen. Und was tut die? Macht erst einmal Tabula Rasa.
Ihr neuer Song „Real Face“ bedeutet keine vollständige Abkehr von dem Sound, der Portanet berühmt gemacht hat, ist aber ihr direktestes Stück überhaupt. „Ich mag das Poetische, aber ich habe auch das Gefühl, dass ich mich nicht mehr hinter schönen Worten verschanzen will“, sagt sie. Erst recht nicht in einem Song, in dem es darum geht, wie oft man seine vermeintlichen Schwächen vor der Welt verbergen will. Und wie schmerzhaft es sein kann, wenn die Diskrepanz zwischen Innen- und Außenwelt zu groß wird.
Die neue Lust auf Unmittelbarkeit spiegelt sich auch im Sound. Wieder recken und strecken sich hier die Synthesizer, die schon Portanets erstes Album bestimmten – und doch geht die Reise in eine ganz neue Richtung. Denn obwohl der Song auf Vergangenes zurückblickt, auf Situationen und Momente, in denen die Erzählerin ihre Unsicherheiten hinter einer Fassade aus guter Laune und extravagantem Make-up versteckte, klingt hier nichts retro oder gar gestrig. Schon auf „Freier Geist“ hatten Sofia Portanets 80er-Referenzen immer einen ganz eigenen Twist, auf „Real Face“ treten solche Einflüsse nun in den Hintergrund. Die Gitarre klingt fast funkig, dazu hat ein Instrument, das man bislang nicht mit Sofia Portanetverbunden hat, seinen großen Auftritt: das Klavier, das mit Sofias chorgeschulter Stimme um die Wette strahlen darf.
„Real Face“ beginnt bekenntnishaft, um im Songverlauf zum starken, strahlend schönen Statement für mehr Mut zur Verletzlichkeit zu werden. Es ist ein erhabenes Stück Musik, ein großer Popsong, ein echter Instant-Hit, mit dem Sofia Portanet das Kunststück schafft, so glamourös wie eh und je zu klingen – und dabei absolut aufrichtig. Ohne Kompromisse. Und sie vermittelt eine Botschaft, die gehört werden muss: Um zu begreifen, wer man wirklich sein will, muss man die eigenen Ängste und Unsicherheiten ernst nehmen. It’s okay not to be okay. Wirklich.