
17.10.2025
SPARKLING: We
Es gibt diese eine Zeile in „Break Free / Frei Sein / Être Libre“: „I want to let loose, show you that I can“, singt Levin Krasel da und tut genau das: In gerade einmal drei Minuten formuliert er gemeinsam mit seinem Bruder Leon (Drums) und Bassist Luca Schüten einen Song, der zugleich Hymne ist, Manifest und in den Himmel gestreckte Faust – und der den Kern dieses Albums auf den Punkt bringt.
Aber von vorne: Die drei gründen SPARKLING 2013 im heimischen Köln. Ihr Aktionsradius wächst schnell: Schon ein Jahr später reisen sie nach London, aus einem Gig wird eine kleine Tour, für ein halbes Jahr zieht die Band in die Metropole. Die erste EP, „This Is Not The Paradise They Told Us We Would Live In“ (2016), produziert von Moses Schneider, ist mit ihrem zwischen Post-Punk und schimmerndem Indie-Songwriting balancierenden Sound ein Versprechen. Für das Debütalbum „I Want To See Everything“ (2019) sitzt Andy Ramsay von Stereolab an den Reglern. Mit der EP „This Is My Life / Das Ist Mein Leben / C’est Ma Vie“ (2022), produziert von Al Doyle (LCD Soundsystem) und Joe Goddard (Hot Chip), rückt der Dancefloor stärker in den Fokus. 2023 folgt das zweite Album „We Are Here To Make You Feel“, es ist größer, euphorischer, zugewandter.
Wie macht man nach so einem Lauf weiter? Die Antwort liegt nah: den Blick nach innen richten, zurück zum eigenen „We“. Nach einer ausgedehnten Tour beginnt das Trio, neues Material zu schreiben – diesmal ohne externe Produzenten. Ihrem Selbstverständnis als europäische Band bleiben sie treu, pendeln zwischen Köln, England und Frankreich. Aus diesen Sessions erwächst rasch ein Album, das schließlich im eigenen Studio aufgenommen und gemischt wird. „WE“ ist kantiger, vielschichtiger, unberechenbarer als der Vorgänger. In Songs wie „Nobody (But You)“ oder „Every Day“ prallt Postpunk britischer Schule auf die strenge Architektur des Krautrock, da hört man die Liebe der drei zu House und Dance französischer Bauart ebenso heraus wie zum ruppigen Synth-Rock der DFA-Schule, der Anfang des Jahrtausends aus New York nach Europa schwappte. An anderer Stelle, etwa in„She“ werden die Lichter gedimmt. Dann tropft eine beinahe herbstliche Schönheit aus den Tönen. Zwei gemeinsam mit dem Hamburger Duo Digitalism entstandenen Songs wiederum blicken sehr genau auf den Dancefloor.
SPARKLING nehmen dabei viel von dem mit in das Album, was auch ihre Konzerte prägt. „Wir wollten dieses live-mäßige, rockige, energetische Gefühl“, sagt Leon. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen der Vorjahre eroberte die Band 2023 und 2024 die Bühnen zurück, tourte durch Deutschland, Frankreich und England und trat im Vorprogramm von Metronomy sowie Noel Gallagher’s High Flying Birds auf. Aber auch, dass die drei selbst wieder auf Konzerte gehen konnten, hat Spuren hinterlassen: „Livemusik besitzt eine eigene Lebendigkeit, eine eigene Energie, nicht zuletzt einen eigenen Klang. Wenn das nicht mehr da ist, dann macht das was mit einem“, sagt Levin.
Vielleicht kann man es so sagen: „We“ ist das Ergebnis von mehr als zehn Jahren Bandgeschichte. Es ist kraftvoll und euphorisch, eine Einladung zum Tanzen, aber auch zum Hinhören. Denn SPARKLING zeigen auf diesem Album sehr genau, wo sie stehen: „Wir sind keine extrem bekannte Band, bei der alles von selbst läuft, auch nicht finanziell. Wir müssen uns unseren Platz erarbeiten, uns behaupten und immer wieder überlegen: Wie machen wir das? Diese Suche und dieser Kampf finden auf jeden Fall ihren Ausdruck in den Texten“, so Levin. Um den Kreis zu schließen: Im eingangs erwähnten „Break Free / Frei Sein / Être Libre“ heißt es auch: „I want to give everything I have“. Man glaubt es dieser Band sofort.
Text von Jochen Overbeck